Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, es nicht mehr zu tun: In meiner Arbeit erhalten wir regelmäßig aktuelle Zeitungen im Umlauf zur Information vorgelegt. Darunter auch die „Wild&Hund“. Regelmäßig bin ich nach der Lektüre dieser Zeitung erschüttert, wie man so viel Schwachsinn zwischen zwei Deckblätter packen kann und nehme mir immer wieder vor, mich nicht mehr darüber aufzuregen. Dieses Mal habe ich es wieder nicht geschafft…
In der aktuellen „Wild&Hund“ (11/2010) schreibt ein Prof. Dr. R.R. Hofmann über die aktuelle Jagdzeit-Diskussion. Konkret wirft er den Verfechtern der Jagdzeitanpassungen im Land Thüringen fehlenden Wildbiologischen Sachverstand vor und holt dann zu einem weiten Rundumschlag gegen jede Form einer waldgerechten Bejagung unserer Schalenwildarten aus. Über die Jagdzeiten, die derzeit in Thüringen diskutiert werden (Bejagung von Schalenwild ab April, Jagdruhe während der Sommermonate und dann weitere Jagdzeit bis zum 15.Januar) kann man sicher diskutieren und wildbiologische Erkenntnisse über die Bedürfnisse unserer Wildarten anbringen. Wenn sich dann aber jemand allen Ernstes hinstellt und behauptet, Schalenwild würde im Wald gar keinen Schaden anrichten und das sich diese [Zitat] „Pseudoherscher der Bäume“ nicht so aufregen sollten, da ja in Deutschland derzeit mehr Wald gäbe als je zuvor (was, sicher auch nur stimmt, wenn man die letzten 200Jahre betrachtet), dann schlägt das für mich endgültig dem Fass die Krone ins Gesicht…

Kostprobe gefällig: „Nirgendwo in Deutschland ist echter Wald durch Wild zerstört worden“. Da stellt sich für mich doch die Frage, was der Autor unter echtem Wald versteht!? Vermutlich reinen Fichten-Forst, in dem das Rotwild zwar erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichtet, indem es durch Schälen die wertvollsten Stammstücke zu Industrieholz entwertet, aber zumindest nicht den Wald als solches vernichten kann. Aber das fällt ja nicht auf, wenn man den Wald nur als Kulisse für die perfekt gehegten Lieblinge unseres Autors zu sehen braucht. Bei einem solchen Waldbild wundert es auch nicht, wenn regelmäßig das Fehlen von „jeglichem Ansatz zur Lebensraumverbesserung des Wildes“ bemängelt wird. Ich möchte die Gegenthese aufstellen, dass der Waldbau der letzten Jahre durch seine Struktur, Licht, Bodenvegetation, Verjüngung und Arteinreichtum mehr für den Lebensraum des Wildes getan hat, als jeder Wildacker und sonstige unnatürliche Maßnahme, die in dem Artikel propagiert werden. Immerhin gibt es derzeit in Deutschland mehr Rehe als je zuvor (und das gilt nicht nur für die letzten 200 Jahre…).
Weiterhin zitiert der Autor einen Professor Egon Wagenknecht, der „eine Schalenwildbewitschaftung, die nur auf Abschuss und Bestandesreduktion basiert, zutreffend als forstliche Bankrotterklärung bezeichnet“. Ich frage mich bei so manchem Waldbild, ob hier nicht das Gegenteil der Fall ist: dass nämlich aufgrund des Fehlenden Abschusses und der fehlenden Bestandesreduktion nicht der forstliche Bankrott droht, wenn nicht mal die Hauptbaumarten es schaffen, den Äser des Wildes zu verlassen. Jeder Zaun ist eine forstliche und jagdliche Bankrotterklärung, nicht aber die Notwendigkeit, überhöhte Wildbestände zu reduzieren und auf ein waldverträgliches Maß anzupassen.
Der erstaunte erfahrene Leser des Artikels darf weiterhin erfahren, dass das Wild eigentlich gar keine Bäume frisst! Zitat: „Ganz abgesehen davon, dass Wildverbiss in den seltensten Fällen mit forstwirtschaftlichem Schaden gleichgesetzt werden darf, frisst keine Wildart – schon wegen der ko-evulotiv entstandenen chemischen Abwehr der Forstpflanzen – den Wald kahl.“ In einen anhängenden Info-Kasten wird intensiv über die natürliche Abwehr der Pflanzen berichtet, die dazu führen würden, dass junge Bäume immer nur „vorsichtig aber nie übermäßig“ bekabbert werden würden. Wie wunderbar. So langsam kann man Zweifel hegen, ob der Autor jemals wirklich im Wald gewesen ist!
Im Grunde enthält dieser Artikel so viel absoluten Schwachsinn, dass das jedem auch nur halbwegs verständigen Jäger auffallen sollte. Ich weiß aber nicht, wie hoch der Anteil solcher an den Lesern der „Wild&Hund“ ist. Leider habe ich ja diese hochwertige Zeitung nicht abonniert, so dass ich nun auch nicht die Gelegenheit habe, dieses Abo aus Protest darüber zu kündigen, dass solchen Leuten mit pseudowissenschaftlichen und fern jeder Realität befindlichen Artikeln eine Plattform gegeben wird.
So, und nun nehme ich es mir wieder vor: wenn das nächste Mal die „Wild&Hund“ in der Hauspost ist, werde ich mich nicht wieder aufregen… Vermutlich wird das aber ein frommer Wunsch beleiben!